Die Entdeckung der Langsamkeit

Ein ehernes Gesetz der Schulphysik lautet, dass sich Licht im Vakuum mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern pro Sekunde -- für Präzisionsfetischisten: mit c = 2,99792458 x 108 Metern pro Sekunde -- ausbreitet. In transparenten Materialien reduziert sich diese Geschwindigkeit um einen Faktor, der durch den Brechungsindex n gegeben ist: v = c/n. Der Brechungsindex der meisten Medien liegt zwischen n = 1 (Luft) und n = 4 (Germanium); der von Glas beträgt typischerweise n = 1,5.

Seit einiger Zeit schon experimentieren Forscher mit so genannten nicht-linearen optischen Materialien, bei denen sich der Brechungsindex quasi in ungeahnte Höhen schrauben lässt. Unter extremen Bedingungen, mit Rubidium- oder Natriumdampf bei Temperaturen von 80 Kelvin beziehungsweise 0,9 Mikrokelvin, ist ein um sieben Zehnerpotenzen stärkerer Bremseffekt bereits nachgewiesen worden.

Jetzt hat ein Team von Physikern von der University of Rochester im US-Bundesstaat New York langsames Licht auf sehr viel einfachere Weise bei Raumtemperatur an einem Rubinkristall nachweisen können, wie die Forscher in den Physical Review Letters berichten (Phys. Rev. Lett. 90, 2003, 113903). Dazu bestrahlten sie den Weg der Lichtpulse durch den Kristall zusätzlich mit einem Argon-Ionen-Laser und erzeugten damit starke Schwankungen des Brechungsindex gezielt in dem Bereich der Wellenlängen, aus denen sich die Pulse zusammensetzen, und die deren Geschwindigkeit auf 57,5 Meter pro Sekunde herabsetzten.

Die gezielte Beeinflussung der Ausbreitungsgeschwindigkeit eröffnet der Photonik neue Perspektiven. Mit dem Bremseffekt lässt sich beispielsweise die relative Zeitlage der Pulse steuern, sodass sie im Wege des rein optischen Zeitmultiplex synchronisiert in ein verschachteltes Gesamtsignal eingefügt werden können. Bisher erfolgt dies recht unflexibel über Glasfaserspulen, deren Länge so bemessen ist, dass sich über die Pulslaufzeit die beabsichtigte Verzögerungszeit ergibt. Mit dem Ergebnis der US-Forscher rückt die Realisierung von steuerbaren Verzögerungsleitungen als optoelektronisch integrierte Chips ein beträchtliches Schritt näher. (Richard Sietmann) / (jk/c't)

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